Gesundheitsschutz – tabakrauchfreier Arbeitsplatz

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.5.2016, 9 AZR 347/15

Gemäß § 5 Abs. 2 ArbStättV hat ein nicht rauchender Beschäftigter in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr nur insoweit einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Schutz vor Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen, als es die Art des Betriebs und die Art der Beschäftigung es zulassen. Demzufolge kann es möglich sein, dass der Arbeitgeber nur dazu verpflichtet ist, die Belastung durch Passivrauchen zu minimieren, nicht aber sie völlig auszuschließen.

In vorliegenden Fall ging es darum, dass die Parteien darum stritten, dem Arbeitnehmer einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Der nichtrauchende Arbeitnehmer ist seit 1993 in einer Spielbank als Croupier tätig. Seit 2008 sind in der Spielbank 3 getrennte Räume mit Spieltischen vorhanden, wobei einer davon ein Raucherraum (mit Klima- und Entlüftungsanlage), ein anderer ein Nichtraucherraum ist. In dem dritten Raum ohne Tür stehen 2 Pokertische.

Im Raucherraum arbeiten sonntags bis donnerstags 11 bis 12 Croupiers und im Nichtraucherraum ca. 13 Croupiers. Freitags und samstags hingegen sind im Raucherraum 16 und im Nichtraucherraum ca. 20 Croupiers im Einsatz. In der Spielbank sind ca. 120 Croupiers beschäftigt, welche jeweils für eine Periode von 6 Wochen in einem Dienstplan eingeteilt werden. Danach muss im Durchschnitt ein Croupier ein bis zwei Dienste, d.h. sechs bis zehn Stunden im Raucherraum arbeiten. Durch eventuell erforderliche Vertretungen kann es auch zu einem erhöhten Einsatz im Raucherraum während dieser 6 Wochen kommen. Bis Ende 2013 wurde der klagende Arbeitnehmer zwischen sechs und zehn Stunden pro Arbeitsblock im Raucherraum eingeteilt. Grundsätzlich werden alle Croupiers im Raucherraum eingesetzt, es sei denn es wird ein ärztliches Attest vorgelegt, welches eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Einsatz im Raucherbreich bestätigt.

Ein solches Attest hatte der klagende Arbeitnehmer nicht vorgelegt, zumal nach Urteil des Hessischen LAG die Beschäftigung im Raucherraum untersagt ist. Ferner besteht eine Betriebsvereinbarung, wonach eine Einteilung der Mitarbeiter, die über 55 Jahre alt sind, am Black-Jack-Tisch verboten ist und weitere fünf Croupiers (so auch der Kläger) nur an maximal 21 tagen pro Jahr am Black-Jack-Tisch tätig sein dürfen.

Der klagende Arbeitnehmer verlangt nun ausschließlich im Nichtraucherraum eingesetzt zu werden, d.gh. einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz. Dieser Anspruch ergäbe sich aus § 618 BGB iVm. § 5 ArbStättV und der GewO.

Ich dennoch in den Raucherraum einzusetzen sei unsachlich und willkürlich, zumal genügend Mitarbeiter vorhanden sind, die gegen einen Einsatz im Raucherraum nichts einzuwenden haben.

Das BAG entschied, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 618 BGB iVm. § 5 ArbStättV und der GewO:

Zwar würde § 618 Abs. 1 BGB durch § 5 ArbStättV konkretisiert und gemäß § 5 Abs. 1 ArbStättV hat der Arbeitgeber auch die erforderlichen Maßnahmen dazu zu treffen, dass die nichtrauchenden Beschäftigten im Betrieb wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt werden. Der Anspruch kann nicht isoliert aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden, doch § 618 BGB konkretisiert vielmehr iVm. den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen den Inhalt der arbeitgeberlichen Fürsorgepflichten, die ihm im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben seiner Mitarbeiter obliegen. Den Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes kommt daher eine Doppelwirkung zu, wenn ihre Schutzpflichten über § 618 Abs. 1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht transformiert werden.

Auch ist der klagende Arbeitnehmer ein nichtrauchender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbStättV und somit in dessen Schutzbereich miteinbezogen und hat deshalb grundsätzlich Anspruch darauf, vor den gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchs durch Passivrauchen geschützt zu werden. Laut Gesetzgeber gefährdet Tabakrauch generell auf Dauer die Gesundheit.

Doch ist der Anspruch des Klägers durch § 5 Abs. 2 ArbStättV eingeschränkt:

Danach sind in Betrieben mit Publikumsverkehr Schutzmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 ArbStättV nur soweit zu treffen, als es die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung zulassen. Ein Spielcasino ist ein Betrieb mit Publikumsverkehr, so dass § 5 Abs. 1 ArbStättV anwendbar ist.

Die Beschäftigung des Klägers als Croupier schränkte die Schutzpflicht seines Arbeitgebers/der Spielbank gemäß § 5 Abs. 2 ArbStättV ein, da seine Tätigkeit zwingend mit dem Kontakt zu rauchendem Publikum verbunden ist, weil zu dem Spielcasino Außenstehende – wie z.B. Kunden und Gäste – Zugang haben und in dem Casino diese Personengruppen üblicherweise aufgrund der Verkehrsanschauung auch rauchen.

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 ArbStättV sind vorliegend zumindest für den Raucherbereich erfüllt, weil die Spielbank von der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 5 Nr. 5 des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes (HessNRSG) Gebrauch macht, welche Gästen das Rauchen in Spielbanken ermöglicht.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 ArbStättV sind erfüllt:

Der klagende Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf nichtraucherschützende Maßnahmen, sofern diese zu einer Veränderung oder einem faktischen Verbot der unternehmerischen Betätigung führen würden. Die Natur eines Spielcasinos lässt vorliegend Schutzmaßnahmen für nichtrauchende Mitarbeiter in Raucherräumen mit Publikumsverkehr nur eingeschränkt zu. Somit ist bei der Prüfung, welche Schutzmaßnahmen geeignet und zumutbar sind eine Abwägung zwischen der unternehmerischen Betätigungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vorzunehmen. Die unternehmerische Betätigung ist dabei nur dann zu beschränken, wenn der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Vorrang einzuräumen ist.

Es kann von der Spielbank allerdings nicht verlangt werden, für den gesamten betrieb ein Rauchverbot auszusprechen, zumal die Beklagte von der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 5 HessNRSG in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat.

Bei der Abwägung zwischen körperlicher Unversehrtheit des Mitarbeiters nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der unternehmerischen Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist der Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 2 ArbStättV nur gehalten, Maßnahmen zu ergreifen, die die gesundheitlichen Belastungen des Arbeitnehmers möglichst weitgehend minimieren, d.h. der Arbeitgeber muss nur an die besondere Situation angepasste und unter Umständen weniger aufwendige Schutzmaßnahmen ergreifen.

Das Spielcasino hat vorliegend getrennte Raucher- und Nichtraucherbereiche eingerichtet, so dass die Croupiers nunmehr zeitlich deutlich überwiegend im Nichtraucherraum eingesetzt werden können. Nur weniger als ein Drittel ihrer Arbeitszeit müssen sie, von Krankheitsvertretungen abgesehen, im Raucherraum arbeiten.

Damit ist es seiner Pflicht zur Minimierung der Gesundheitsbelastung durch Passivrauchen gemäß § 5 Abs. 2 ArbStättV nachgekommen. Das Spielcasino hat einen größeren Nichtraucherbereich geschaffen und damit die Belastung durch die Tätigkeit im Raucherbereich, welcher über eine Entlüftungsanlage verfügt, zeitlich verringert. Der Verhängung eines absoluten Rauchverbots im gesamten Betrieb stehen die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung entgegen.

Dem Einwand des Klägers, das Spielcasino könne doch ausschließlich nur Mitarbeiter im Raucherbereich einsetzen, die damit einverstanden sind, steht jedoch entgegen, dass § 5 ArbStättV alle nichtrauchenden Mitarbeiter vor den objektiven Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen schützt. Dieser Schutz gilt unabhängig vom Willen der Mitarbeiter. Ob das Dienstleistungsangebot des Spielcasinos auch dann noch aufrechtzuerhalten wäre, wenn ausschließlich bei der Arbeit rauchende Mitarbeiter, die dem Schutzbereich des § 5 ArbStättV nicht unterfallen, im Raucherraum eingesetzt würden, hat der klagende Arbeitnehmer nicht behauptet.

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