Fall Emmely
Einer Kassiererin war vorgeworfen worden, zwei ihr nicht gehörende Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro für sich selbst eingelöst zu haben; ihr wurde fristlos gekündigt. Das Bundesarbeitsgericht erklärte jedoch die Kündigung für unwirksam. Das Arbeitsgericht Berlin sowie das Landesarbeitsgereicht Berlin-Brandenburg hatten beide die Kündigung zunächst für wirksam erachtet: Die Verdachtskündigung sei wirksam, da Vertrauen zerrüttet wäre, zumal Zeugen bestätigt haben, dass die Kassiererin die Bons tatsächlich eingelöst hat. Durch die Einlösung von 2 Bons im Wert von 48 Cent und 82 Cent habe die Kassiererin den von ihr zu zahlenden Einkaufswert zu Lasten des Arbeitgebers um 1,30 Euro ohne Befugnis gekürzt. Dies Verhalten stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB dar. Bei der Interessensabwägung überwiege daher das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Bestandsinteresse der Arbeitnehmerin. Von einer Kassiererin sei Zuverlässigkeit und korrekte Abrechnung an der Kasse unabdingbar, der Arbeitgeber müsse sich hierauf verlassen können. Die Entwendung auch nur geringwertiger Sachen rechtfertige eine fristlose Kündigung. Die Unschuldsvermutung gälte nicht im Arbeitsrecht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ließ Revision gegen die Berufung zu und hob diese schließlich mit dem Argument auf, dass die Kassiererin hier nur eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ begangen hätte, worauf der Arbeitgeber zunächst nur mit einer Abmahnung, anstatt sofort einer fristlosen Kündigung hätte reagieren dürfen. Da die Kassiererin über 31 Jahre im Betrieb beschäftigt war, könne das von ihr während dieser Zeit erworbene Vertrauen nicht durch diese einmalige Verfehlung „aufgezehrt“ werden.
BAG 2 AZR 541/09 vom 10.06.2010