Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15. Juni 2021, – 9 AZR 413/19 –
Ist ein Arbeitnehmer zur Anzeige von Nebentätigkeiten vor deren Aufnahme verpflichtet? Rechtfertigt ein Verstoß gegen diese Anzeigepflicht eine Abmahnung?
Der gekündigte Arbeitnehmer war ein Redakteur, auf dessen Arbeitsvertrag der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften in der Fassung vom 04. November 2011 (MTV) Anwendung fand. Nach § 13 Ziffer 3 dieses Manteltarifvertrages bedurfte eine Redakteurin bzw. ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihr/ihm bei ihrer/seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachrichten und Unterlagen der schriftlichen Einwilligung des Verlags.
Im Herbst 2017 nahm der Arbeitnehmer im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für seinen Arbeitgeber zu berichten. Sein Artikel enthielt u.a. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen Arbeitnehmer und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf seine damalige Erklärung, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin ihm in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion seines Arbeitgebers gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Arbeitnehmer seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Arbeitnehmers, den Beitrag anderweitig publizieren zu wollen, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag.
Im Frühjahr 2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung des Arbeitgebers – in der T.-Zeitung ein Beitrag des Arbeitnehmers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Sein Arbeitgeber erteilte ihm daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.
Mit seiner Klage begehrt Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er vertrat die Auffassung, der Erlaubnisvorbehalt in § 13 Ziffer 3 MTV verletze ihn als Redakteur in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sowie in den weiteren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, außerdem in dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es wäre nicht verpflichtet gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil der Arbeitgeber eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, nur um die Unternehmerin zu schützen.
Nach dem BAG war die Abmahnung wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Ziffer 3 MTV zu recht erfolgt.
Die Verpflichtung eines Redakteurs, seinen Arbeitgeber/Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass der Verlag erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt würde überprüfen zu können, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden.
Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten.
Der Arbeitgeber/Verlag hat ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können, während die Belange des Arbeitnehmers dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt werden würden.
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